Entwurfsmuster als Firmen-Paradigma:Keine bloßen IT-KonstrukteDas Paradigma der Wiederverwendbarkeit und damit der Kostenaspekt stehen hinter der Idee der Entwurfsmuster. Die zugrundeliegenden Denkschemata, Vorgehensweisen und Systemstrukturen müssen freilich konsequent umgesetzt werden. Muster sind die Grundlage unseres Lebens. Wir werden täglich mit Verhaltensmustern konfrontiert und adaptieren sie teilweise. Muster haben uns in der Kindheit geprägt. Wir haben Denkmuster unserer Eltern übernommen, ob wir es wollten oder nicht und suchen in unserer täglichen Arbeit und dem täglichen Leben immer wieder nach Mustern, die wir wiedererkennen und die uns Sicherheit geben. Muster dienen der Orientierung, der Kommunikation, der Kooperation und letztlich der Evolution. Leben und Weiterentwicklung sind für uns ohne Muster nicht denkbar.
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zusammengefügt und bilden Regelkreise nach kybernetischem Verständnis (siehe Bild 2). Diese Regelkreise wirken wieder auf übergeordnete Muster, die ihrerseits Regelkreise bilden, ein. Bei den Wechselwirkungen steht niemand außerhalb, da ein Beobachter mit seiner Anwesenheit und seinem Verhalten bereits den Regelmechanismus beeinflußt.
In diesem Sinne muß sich jede Ebene in einem Unternehmen bewußt sein, daß sie mit ihrem gesamten Verhalten die entwickelten und propagierten Entwurfsmuster beeinflußt und gegebenenfalls ad absurdum führen kann. Ein Muster auf hoher Ebene zu entwerfen und anzuweisen genügt nicht, es muß im Sinne eines Regelkreises konsequent gelebt werden.
In der Informationstechnologie gibt es auf allen Ebenen Entwurfsmuster, die miteinander wechselwirken. Für die konkrete Arbeit innerhalb der Informationstechnologie sollen beispielhaft die folgenden Themenkreise als Wirkungsbereiche von Entwurfsmustern genannt werden:
Die Wechselwirkung innerhalb und zwischen diesen Ebenen erfolgt über die beschriebenen Regelkreise. Das führt dazu, daß die Rückkopplung bei jeder Weiterentwicklung beachtet werden muß. Bei Aufbau und Fortentwicklung müssen sich die Muster ohne Widerspruch ineinanderfügen lassen. Daher kann die Einführung neuer Strategien nicht auf dem Prinzip von Anweisung und Gehorsam aufgebaut werden, sondern das neue Muster muß durch Vorbild und das Vorhandensein eine weiterentwickelbaren Ansatzes für die nächsten Ebenen weiterwirken.
In der praktischen Anwendung heißt das, daß sich die verschiedenen Ebenen des Managements gemeinsam zu einem tragenden Gedanken- und Überzeugungsmodell durchringen müssen. Das Modell darf nicht nur an Budget und Profit orientiert sein, sondern muß ein Muster erkennen lassen, das als überzeugender Ansatz weitergetragen werden kann und im Rückschluß wieder die darunter entstehenden Muster vereint und steuert. Manchmal wird dies auch als "Bebauungsplan" bezeichnet. Ich sehe aber diesen Begriff zu sehr im technischen und administrativen Umfeld verankert und fürchte, daß die Landschaft und Umwelt dabei, wie bei vielen Bebauungsplänen, zu kurz kommt.
Entwurfsmuster dienen zur Orientierung, Sicherung und Wiederverwendung von Erfahrungen. Zur Wiederverwendung der Erfahrung gehört auch deren Akkumulierung und Bewahrung. Der Nutzen liegt in einer verbesserten Überlebensstrategie. Ein Weg den Nutzen auch auf andere Erfahrungsbereiche auszudehnen, ist der Aufbau von Mustern auf höherer Ebene, also die Abstraktion. Von diesem Ausgangspunkt aus ist die Übertragung in neue Bereiche leichter durchzuführen.
Entwurfsmuster, die in den Köpfen von einzelnen stecken, nutzen dem Unternehmen nichts. Sie müssen dokumentiert und verbreitet werden. Eine Dokumentation in schriftlicher Form ist eine Seite, die sowohl für die Ausformulierung und damit auch das Klären der Gedanken unerläßlich ist. Andererseits müssen die Muster aber auch im Bewußtsein der Betroffenen dokumentiert werden. Für diesen Zweck ist der Weg der hierarchischen Anweisung denkbar ungeeignet. Motivation und Bewußtseinsbildung per Anweisung erreichen zu wollen gleicht dem Befehl "sei spontan", bei dem sofort jede Spontaneität das Weite sucht.
Bild 3 zeigt, daß Entwurfsmuster auf vielen Kanälen vermittelt werden müssen. Alle Aussagen müssen konsistent sein, sonst verliert der Einzelne das Vertrauen in die Gesamtstruktur. Im einzelnen sind die folgenden Kanäle anzusprechen:
Auch wenn die anderen Bereiche wichtig sind und immer wieder bedacht werden müssen, steht in der täglichen Arbeit der IT die Wiederverwendbarkeit von Erfahrungen und Bausteinen im Mittelpunkt. In der Folge soll auf die Möglichkeiten und Probleme der Wiederverwendbarkeit detaillierter eingegangen werden.
Wiederverwendbarkeit ist in der Informationstechnologie nicht nur auf Programme beschränkt. Wiederverwendbarkeit fängt bei den obersten Strategieebenen an und geht bis zum Programmbaustein. Wiederverwendung ergibt sich auch aus dem Gebot des wirtschaftlichen Arbeitens. Hier gilt: je hochwertiger und umfangreicher das wiederverwendete Teil ist, umso größer ist die erzielte Rentabilität. Auf diese Weise ist es wesentlich rentabler, einen gesamten Geschäftsprozess mit dem daraus gebildeten Business-Objekt wiederzuverwenden als einen technischen Programmbaustein. Tabelle 1 führt einige Ebenen der Wiederverwendbarkeit auf, wobei die entsprechenden Ebenen der Unternehmensstrategie und der Informationstechnologie nebeneinandergestellt sind.
Voraussetzung ist für beide Bereiche der Aufbau von klaren Mustern, die zueinander passen und die weitere Regelung übernehmen. Das bedingt die Inangriffnahme von Strategie und Prozess-Engineering unter frühzeitiger Einbeziehung des objektorientierten Denkens und der Definition von Business-Objekten. Eine inkonsistente Geschäftsstrategie, die diese Voraussetzungen nicht berücksichtigt, führt zu unklaren und widersprüchlichen Geschäftsprozessen. Nicht nur, daß in diesem Falle die informationstechnische Wiederverwendung unmöglich ist, auch im kaufmännischen Bereich führt dies zu unnötigen Kosten und Wettbewerbsnachteilen.
Die Motivation zu Aufbau und Verwendung von Entwurfsmustern, insbesondere in der konkreten Wiederverwendung von Objekten und System- bzw. Programmteilen, ist nicht einfach. Im Rahmen der oben ausgeführten Vermittlung über eine Vielzahl von Kanälen spielen eine Reihe gruppendynamischer Vorgänge eine Rolle, die sorgfältig zu beobachten und rückzukoppeln sind.
Außer der Vermittlung des genannten Wir-Gefühls muß die persönliche Notwendigkeit für den einzelnen erkennbar gemacht werden. Hierfür sind aus dem Umfeld Regeln und Vorgehensweisen zu entwickeln, die leicht erklärbar und einsichtig sind. Die Entwurfsmuster hierfür müssen passen (s. Kasten 1). Ein weiterer Vorteil, der motiviert, ist die Minimierung von Verwaltungsaufwand. Geeignete Hilfsmittel müssen dafür sorgen, daß das Wissen über die zur Wiederverwendung bereitstehenden Bausteine für die Anbieter leicht zu dokumentieren und für die Nutzer leicht zugänglich ist (s. auch Beitrag " Dokumentation als Spiegel des Wissens").
Eine weitere Überlegung ist, ob nicht ein System von Belohnung und Strafe eine Motivation zur Wiederverwendung bewirken könnte. Berater und Unternehmen knobeln an Systemen, die Belohnungs- bzw. Strafpunkte für die Wiederverwendung bzw. unnötige Doppelentwicklung vergeben und sind der Ansicht, daß nur eine Anrechnung auf das Projektbudget einen Einfluß auf die Beteiligten ausüben kann.
Abgesehen von dem Umstand, daß ein solchen System, wenn überhaupt, nur auf der niedrigsten technischen Ebene funktionieren könnte, bleibt noch die Frage, wer das Ganze registriert, überwacht und mit dem geforderten Sachverstand den Schiedsrichter spielt. Eine solche Erbsenzählerei hält der Autor für absolut kontraproduktiv. In dem geschilderten offenen Umfeld könnte sie auch nur schiefgehen. Die wirklich lukrative Wiederverwendung von Prozessen und Teilprozessen in Form von Business-Objekten wird davon ohnehin nicht erfasst. Hier sollte auf Kommunikation, Teamarbeit und Vorbild gesetzt werden. Wenn der Chef diese Eigenschaften zeigt, werden die Mitarbeiter entsprechend nachziehen. Und wieder wird die Notwendigkeit der entsprechenden Strukturen und Muster bereits auf der obersten Ebene deutlich.
Wenn wir den Blickwinkel wieder auf die erforderlichen Entwurfsmuster in der Informationstechnologie lenken, zeichnet sich ab, daß diese im großen und ganzen mit den Wissensebenen korrelieren (die Wissensebenen sind im Beitrag " Wissenstransfer beim OO-Übergang" im Detail behandelt). Tabelle 2 stellt die Ebenen und die zugehörigen Wissensinhalte dar. Für Vermittlung und Verinnerlichung der Muster ist es nützlich, wenn sich die Grundstruktur in jeder Ebene wiederholt und die Inhalte auf Basis einer bekannten Struktur variieren.
Das gleiche gilt für die Prozesse bei Entwurf und Einführung neuer Muster. Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze und Kanäle kann der Übergang in neue Entwurfsmuster ähnlich dem gleitenden Wissenstransfer organisiert werden (s. Bild 5). Hierbei wird ebenfalls eine einheitliche Grundstruktur genutzt.
Allerdings wird dies noch einen Quantensprung in der Kultur der Unternehmen und der Beteiligten erfordern. Die Zukunft muß auf intellektuellem und auf materiellem Gebiet wohlstrukturiert sein, und das bedeutet die Abkehr von der Hierarchie zugunsten der Kooperation.
Was wird das alles kosten, höre ich manche stöhnen. Es wird viel kosten, insbesondere Überwindung und Selbstdisziplin. Der finanzielle Aufwand wird eher höher sein, wenn dieser Weg nicht eingeschlagen wird. Und übrigens: Erst Weichen stellen und dann darauf fahren. Gefordert ist der Mut zur Lücke in der Realisierung, nicht aber in der Grundstruktur.
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